Definition: Die Deckungssumme (Haftungssumme) in der Berufshaftpflichtversicherung ist der maximale Betrag, den der Versicherer pro Schadenfall zahlt. Alles darüber hinaus fällt in die Eigenhaftung des Büros bzw. der verantwortlichen Person.
Die Deckungssumme zieht somit die scharfe Grenze zwischen gedecktem Schaden und Eigenhaftung – und damit zwischen finanziellem Ärger und existenziellem Risiko.
In Deutschland sind die Haftungsdimensionen im Ingenieur- und Architekturbereich erheblich: Ein Planungsfehler oder eine unzureichende Bauüberwachung verursacht schnell >200.000 € an Nachträgen; bei Personenschäden (z. B. auf Baustellen oder in öffentlichen Gebäuden) steigen Forderungen rasch in den Millionenbereich. Wer hier nur eine Mindest-Versicherungssumme hält, trägt das Insolvenzrisiko faktisch selbst.
Was die richtige Deckung leistet – auf einen Blick:
Praxisnahe Faustregel: Deckungssumme ≥ realistisch größter Einzelschaden eines Projekttyps plus Sicherheitszuschlag für 1–2 Folgeschäden im gleichen Jahr (Stichwort: Jahreshöchstleistung).
Ohne die richtige Mindestdeckung droht Ingenieur:innen und Architekt:innen in Deutschland der Verlust ihrer Berufszulassung – oder der Ausschluss von öffentlichen Aufträgen.
Die Mindestdeckungssumme ist daher nicht optional, sondern eine rechtliche Pflicht nach den Ingenieurkammer- und Architektenkammergesetzen der Bundesländer.
Definition: Die gesetzliche Mindestdeckungssumme ist die niedrigste Versicherungssumme, die Ingenieur:innen und Architekt:innen nach Kammerrecht nachweisen müssen, um berufsrechtlich zugelassen zu bleiben und öffentliche Aufträge annehmen zu dürfen.
Sie dienen dem Schutz Dritter und der Auftraggeber. Nur wer über eine ausreichende Haftungsdeckung verfügt, kann für Planungsfehler, Bauüberwachungsversäumnisse oder Personenschäden aufkommen, ohne selbst insolvent zu werden.
Die Kammern kontrollieren diese Nachweise regelmäßig – häufig bei Eintragung, Lizenzverlängerung oder Projektprüfung.
Je nach Bundesland und Kammer unterscheiden sich die Anforderungen deutlich.
Mindestdeckungen (Freiberufler; für Gesellschaften können abweichende Mindestsummen gelten):
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Bundesland |
Personenschäden |
Sach-/Vermögensschäden |
Jahreshöchstleistung |
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2.000.000 € |
300.000 € |
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1.500.000 € |
500.000 € |
2x Deckungssumme |
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1.000.000 € |
250.000 € |
2x Deckungssumme |
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1.500.000 € |
250.000 € |
2× Deckungssumme |
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1.000.000 € |
1.000.000 € |
2x Deckungssumme |
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1.500.000 € |
250.000 € |
2x Deckungssumme |
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1.500.000 € |
500.000 € |
3x Deckungssumme |
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1.000.000 € |
250.000 € |
4x Deckungssumme für Sach-/Vermögensschäden |
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1.500.000 € |
200.000 € |
2x Deckungssumme |
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1.500.000 € |
250.000 € |
2x Deckungssumme |
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1.500.000 € |
300.000 € |
3× Deckungssumme |
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1.000.000 € |
200.000 € |
2x Deckungssumme |
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1.500.000 € |
250.000 € |
2x Deckungssumme |
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1.500.000 € |
300.000 € | ||
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1.500.000 € |
250.000 € |
3x Deckungssumme |
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1.500.000 € |
250.000 € |
2x Deckungssumme |
Praxisbeispiel: Ein Ingenieurbüro in Bremen musste seine Versicherung kurzfristig auf 5 Mio. € Deckung erhöhen, als es ein Projekt über 40 Mio. € Bauvolumen übernahm. Der Mehrbeitrag lag nur bei rund +15 %, war aber entscheidend für die Projektzulassung.
Handlungsempfehlung:
Die optimale Deckungssumme hängt direkt vom Fachgebiet, Projekttyp und Haftungsrisiko ab. Zwischen einem Gutachten über eine Bestandswand und einem Generalplanungsauftrag für ein Schulzentrum liegen Welten – auch in der Haftung.
Jede Fachrichtung trägt ein eigenes Risikoprofil. Entscheidend ist immer, wie hoch der größte denkbare Schaden im konkreten Tätigkeitsbereich ausfallen kann – und ob dieser durch die Police vollständig abgedeckt wäre.
Die folgende Übersicht zeigt bewährte Praxiswerte für Ingenieur:innen, basierend auf Kammerempfehlungen und realen Schadensfällen:
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Fachrichtung |
Empfohlene Deckungssumme |
Besonderheit / Hinweis |
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Bauingenieur:innen |
2–5 Mio. € |
Bei Generalplanung oder großen Bauvolumina eher 3–5 Mio. € wählen |
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Elektroingenieur:innen |
1–3 Mio. € |
IT- und BMS-Integration erhöht Risiko; Deckung anpassen |
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Maschinenbau / Verfahrenstechnik |
1–3 Mio. € |
Zusatzdeckung für Produkthaftung sinnvoll |
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Gutachter / Prüfingenieur:innen |
1–2 Mio. € |
Pflicht bei öffentl. Aufträgen; höhere Deckung bei Statikgutachten ratsam |
Praxisbeispiel: Ein Prüfingenieur unterschätzte das Risiko bei einer Brückenprüfung. Ein kleiner Berechnungsfehler führte zu 400.000 € Sanierungskosten, die Police deckte jedoch nur 250.000 € ab. Den Rest zahlte er privat – eine klassische Unterdeckung.
Die passende Deckung ist keine Kostenfrage, sondern ein strategischer Risikopuffer. Wer neue Fachgebiete erschließt oder größere Projektvolumina übernimmt, sollte die Versicherungssumme vor Auftragserteilung anpassen – viele Auftraggeber prüfen das mittlerweile standardmäßig in der Vergabephase.
Eine höhere Deckungssumme bedeutet mehr Sicherheit, aber keine lineare Beitragserhöhung. In der Berufshaftpflicht steigen die Versicherungsprämien langsamer als die versicherte Summe – meist nur um 10–30 %, selbst wenn die Deckung verdoppelt wird.
Versicherer kalkulieren nach Risikostufen. Wer seine Deckung erhöht, zahlt anteilig weniger pro abgesichertem Euro – das macht zusätzliche Sicherheit oft überraschend preiswert.
Viele Ingenieur:innen und Architekt:innen überschätzen den Beitragseffekt. Die Versicherungsprämie ergibt sich aus Faktoren wie:
Weil größere Deckungssummen das Risiko des Versicherers prozentual nicht verdoppeln, bleiben die Mehrkosten moderat.
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Deckungssumme |
Einzelbüro / Jahr |
Großbüro / Jahr |
Mehrkosten bei Verdopplung |
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1 Mio. € |
~880 € |
~2.400 € |
Basiswert |
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2 Mio. € |
~1.100 € |
~2.800 € |
+10–20 % |
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5 Mio. € |
~1.800 € |
~3.900 € |
+30–60 % |
Praxisbeispiel: Ein Elektroingenieur erhöhte seine Deckung von 1 Mio. € auf 2 Mio. € für ein Smart-Building-Projekt.
Mehrkosten: 160 € pro Jahr. Ein Jahr später übernahm die Police einen 300.000 €-Schaden vollständig – ohne Eigenbeteiligung.
Handlungsempfehlung
Die Erhöhung der Deckungssumme ist eine der effizientesten Risikoabsicherungen im Ingenieurwesen. Kleine Mehrkosten bringen überproportionalen Schutz – gerade bei wachsendem Projektvolumen oder neuen Leistungsbildern.
Die optimale Deckungssumme ergibt sich nicht aus einer Formel, sondern aus der Kombination von Projektrisiko, Fachrichtung und Auftraggeberanforderungen. Entscheidend ist, das Worst-Case-Szenario realistisch einzuschätzen – also: Wie teuer wäre der größte Schaden, den Ihr Büro selbst verantworten könnte?
Die richtige Deckung ist individuell. Sie hängt davon ab, was, wo und für wen Ingenieur:innen planen – und welche rechtlichen oder vertraglichen Pflichten gelten.
Praxisbeispiel: Ein Verfahrenstechniker prüfte jährlich seine Police. Beim Wechsel in die Pharmaindustrie erhöhte er die Deckung von 1 Mio. € auf 3 Mio. €. Ein Jahr später verhinderte diese Entscheidung eine Insolvenz nach einem Anlagenstillstand mit Folgekosten in Millionenhöhe.
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Schritt |
Aufgabe |
Ziel |
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1 |
Projekttyp & Volumen analysieren |
Realistische Risikoeinschätzung |
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2 |
Kammer- und Landesvorgaben prüfen |
Rechtssicherheit gewährleisten |
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3 |
Worst-Case-Schaden kalkulieren |
Unterdeckung vermeiden |
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4 |
Auftraggeberverträge abgleichen |
Anforderungen einhalten |
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5 |
Police jährlich überprüfen |
Versicherung aktuell halten |
Tipp: Ein jährlicher 15-Minuten-Check Ihrer Deckungssummen spart später teure Diskussionen mit Auftraggebern, Kammern oder Versicherern.
Nicht die Zahl auf der Police schützt, sondern ihre Angemessenheit im Verhältnis zum Risiko.
Wer Deckungssumme und Tätigkeitsprofil regelmäßig synchronisiert, erfüllt nicht nur die formalen Anforderungen, sondern beweist auch professionelles Risikomanagement – ein wichtiger Pluspunkt bei öffentlichen Vergaben.
Die Deckungssumme entscheidet, ob ein Schaden zum Ärgernis oder zur Existenzbedrohung wird.
Sie ist weit mehr als eine Zahl im Versicherungsschein – sie ist der entscheidende Schutzschirm gegen die finanziellen Folgen beruflicher Verantwortung.
Ein Planungsfehler, eine Bauüberwachungsversäumnis oder ein IT-Ausfall kann schnell sechsstellige Kosten verursachen. Ob ein Büro dann handlungsfähig bleibt, hängt allein davon ab, wie hoch die Versicherungssumme gewählt wurde.
Gesetzliche Mindestwerte sind die Basis – aber kein ausreichender Schutz für komplexe oder öffentliche Projekte.
Wer regelmäßig anspruchsvolle Planungen übernimmt, sollte die Deckung realistisch an das Projektvolumen, Fachrisiko und Haftungsprofil anpassen.
Schon ein kleiner Aufpreis im Beitrag kann Millionenverluste verhindern.
Die beste Deckung ist nicht die billigste – sondern die, die Ihr tatsächliches Risiko abbildet.
Handlungsempfehlung:
Wer seine Berufshaftpflicht aktiv managt, handelt nicht nur rechtssicher, sondern unternehmerisch klug.
Eine Stunde Analyse spart Jahre finanzieller Unsicherheit – und sichert das Vertrauen von Auftraggebern, Partnern und Kammern.
Für die meisten Ingenieur:innen und Architekt:innen empfehlen sich 1–3 Mio. € für Sach- und Vermögensschäden sowie mindestens 3 Mio. € für Personenschäden.
Öffentliche Auftraggeber verlangen bei sicherheitsrelevanten Projekten häufig bis zu 5 Mio. €.
Praxisbeispiel: Beim Neubau der Stadtbibliothek München forderte der Auftraggeber eine 5-Millionen-Deckung bei 25 Mio. € Bauvolumen.
Je nach Bundesland und Ingenieurkammer liegt sie zwischen 250.000 € und 1 Mio. € für Vermögensschäden sowie 1,5–3 Mio. € für Personenschäden.
Wer den Nachweis nicht fristgerecht erbringt, riskiert Bußgelder oder sogar den temporären Entzug der Berufszulassung.
Die Prämie steigt nicht linear: Eine Verdopplung der Deckung führt meist nur zu 10–30 % Mehrkosten.
Einzelbüros zahlen oft unter 1.000 € pro Jahr, selbst bei hoher Absicherung – der Kosten-Nutzen-Effekt ist also sehr günstig.
Ja. Eine Anpassung ist jederzeit möglich – projektbezogen oder auf Wunsch des Auftraggebers.
Tipp: Eine jährliche Prüfung im Rahmen des Jahresabschlusses ist ideal, um den Schutz aktuell zu halten.
Immer dann, wenn das Projektrisiko steigt – etwa bei
Empfehlung: Vor Angebotsabgabe die Vertragsbedingungen prüfen – manche Auftraggeber fordern höhere Summen als die Kammern.