Bauversicherungsmakler Glossar

Anscheinsbeweis

Geschrieben von Bauversicherungsmakler Glossar | Aug 20, 2025 2:17:32 PM

Definition

Der Anscheinsbeweis ist ein juristisches Beweisprinzip, bei dem aus einem typischen Geschehensablauf auf ein bestimmtes Verhalten oder eine bestimmte Ursache geschlossen wird – solange kein atypischer Verlauf nachgewiesen werden kann.

Erklärung / Hintergrund

Der Anscheinsbeweis ist keine gesetzliche Norm, sondern eine von der Rechtsprechung entwickelte Beweiserleichterung. Er greift immer dann, wenn bestimmte Sachverhalte nach der allgemeinen Lebenserfahrung typischerweise einen bestimmten Hergang nahelegen.

Beispiele:

  • Verkehrsrecht: Wer von hinten auffährt, wird nach dem Anscheinsbeweis typischerweise als unaufmerksam oder zu dicht aufgefahren angesehen.
  • Baurecht: Stürzt ein Baugerüst bei normalem Wetter ein, spricht der Anscheinsbeweis dafür, dass Sicherungs- oder Planungspflichten verletzt wurden.

Im Haftungsrecht ist der Anscheinsbeweis besonders wichtig, weil er die Beweislastumkehr erleichtert: Der Geschädigte muss nicht den gesamten Hergang beweisen, sondern nur einen typischen Ablauf darlegen. Der in Anspruch Genommene (z. B. Architekt, Ingenieur) muss dann beweisen, dass es im konkreten Fall anders war.

Synonyme: Prima-facie-Beweis, Beweis des ersten Anscheins.

Abgrenzung:

  • Vollbeweis → es wird ein Geschehensablauf vollständig bewiesen.
  • Indizienbeweis → mehrere einzelne Indizien werden zusammengesetzt.
  • Anscheinsbeweis → es wird auf den typischen Geschehensablauf vertraut, solange nichts Gegenteiliges dargelegt wird.

Praxisrelevanz

Für Architekten und Ingenieure kann der Anscheinsbeweis in Haftungsprozessen erhebliche Folgen haben. Bei Bauunfällen, Einstürzen oder Brandschäden unterstellt die Rechtsprechung häufig, dass Planungs-, Überwachungs- oder Verkehrssicherungspflichten verletzt wurden. Der Planer muss dann aktiv darlegen, dass er ordnungsgemäß gehandelt hat (z. B. Nachweise über Bauüberwachung, Dokumentation von Prüfungen).

Die Berufshaftpflichtversicherung übernimmt in solchen Fällen die Abwehr unberechtigter Ansprüche. Ohne saubere Dokumentation kann es jedoch schwierig werden, den Anscheinsbeweis zu entkräften.

Praxisbeispiel

Auf einer Baustelle löst sich ein Fassadenteil und verletzt einen Passanten. Der Geschädigte klagt gegen den verantwortlichen Architekten. Nach dem Anscheinsbeweis spricht alles dafür, dass entweder die Planung oder die Bauüberwachung mangelhaft war. Der Architekt muss nun beweisen, dass er seine Pflichten eingehalten hat (z. B. durch Bautagebuch, Prüfberichte). Gelingt ihm das nicht, wird er haftbar gemacht.

FAQ

Muss der Geschädigte beim Anscheinsbeweis nichts mehr beweisen?

Doch. Er muss einen typischen Geschehensablauf darlegen. Dann wird vermutet, dass dieser auch so vorliegt.

Kann der Anscheinsbeweis widerlegt werden?

Ja. Der Beklagte kann nachweisen, dass der Ablauf atypisch war oder eine andere Ursache vorlag.

Ist der Anscheinsbeweis im Gesetz geregelt?

Nein, er beruht auf ständiger Rechtsprechung.

Welche Rolle spielt er für Architekten und Ingenieure?

Er erleichtert Bauherren oder Geschädigten die Anspruchsbegründung. Planer und Überwacher müssen deshalb durch Dokumentation und Nachweise beweisen, dass sie ihre Pflichten erfüllt haben.

Übernimmt die Berufshaftpflicht die Verteidigung?

Ja. Die Versicherung prüft die Ansprüche, wehrt unbegründete Forderungen ab und übernimmt berechtigte Schäden – solange keine vorsätzliche Pflichtverletzung vorliegt.

Verwandte Begriffe

  • [Beweislastumkehr]
  • [Verstoßprinzip]
  • [Passiver Rechtsschutz]
  • [Obliegenheiten]
  • Berufshaftpflichtversicherung

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