Definition
Obliegenheiten sind die im Versicherungsvertrag festgelegten Verhaltenspflichten des Versicherungsnehmers, die vor, während und nach Eintritt eines Versicherungsfalls einzuhalten sind. Sie dienen dem Zweck, das Risiko zu minimieren und eine reibungslose Schadenregulierung sicherzustellen.
Erklärung / Hintergrund
Obliegenheiten sind keine klassischen Vertragspflichten wie die Prämienzahlung, sondern Mitwirkungspflichten, deren Einhaltung über den Fortbestand des Versicherungsschutzes entscheidet. Sie finden sich sowohl im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) als auch in den Versicherungsbedingungen.
Typische Obliegenheiten in der Berufshaftpflichtversicherung von Architekten und Ingenieuren sind:
- Schadenmeldepflicht: Jeder Versicherungsfall ist dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen.
- Schadenminderungspflicht: Der Versicherungsnehmer muss alles Zumutbare unternehmen, um den Schaden so gering wie möglich zu halten.
- Auskunfts- und Aufklärungsobliegenheiten: Der Versicherer hat Anspruch auf umfassende Informationen über Schadenursache, Schadenhöhe und beteiligte Personen.
- Kooperation im Prozess: Der Versicherer erhält die Prozessführungsbefugnis und entscheidet über Abwehr oder Regulierung von Ansprüchen.
- Verbot des Anerkenntnisses: Der Versicherungsnehmer darf ohne Zustimmung des Versicherers kein Schuldanerkenntnis abgeben, da dies den Versicherungsschutz gefährden kann.
Abgrenzung:
- Pflichten: Zentrale Vertragspflichten wie Beitragszahlung oder Leistungspflicht des Versicherers.
- Obliegenheiten: Nebenpflichten, deren Verletzung zu Leistungskürzungen oder -verweigerung führen kann.
- Gefahrenanzeige: Vorvertragliche Obliegenheit zur wahrheitsgemäßen Information über Risiken.
Synonyme: Mitwirkungspflichten, Verhaltenspflichten, Nebenpflichten.
Praxisrelevanz
Für Architekten und Ingenieure ist die Einhaltung der Obliegenheiten entscheidend: Wird etwa eine Schadenmeldung verspätet oder unvollständig abgegeben, riskiert das Büro eine Leistungsfreiheit des Versicherers. Damit wird die finanzielle Absicherung der Berufshaftpflicht faktisch wertlos. Gerade kleinere Büros, die auf eine schnelle Regulierung angewiesen sind, profitieren, wenn sie interne Abläufe haben, um Obliegenheiten konsequent einzuhalten.
Praxisbeispiel
Ein Architekt bemerkt Risse im Mauerwerk eines Bauprojekts, die auf einen Planungsfehler zurückzuführen sein könnten. Statt den Versicherer sofort zu informieren, versucht er zunächst, das Problem mit dem Bauherrn selbst zu regeln. Monate später eskaliert der Fall und der Bauherr fordert Schadensersatz. Da der Versicherer von dem Fall erst verspätet erfährt, kann er die Leistung kürzen oder verweigern – ein klassisches Beispiel für die gravierenden Folgen einer Obliegenheitsverletzung.
FAQ
Was passiert bei einer Verletzung von Obliegenheiten?
Der Versicherer kann die Leistung kürzen oder ganz verweigern, wenn die Obliegenheitsverletzung grob fahrlässig oder vorsätzlich begangen wurde. Bei einfacher Fahrlässigkeit bleibt der Schutz bestehen.
Sind Obliegenheiten gesetzlich geregelt?
Ja, sie finden sich im Versicherungsvertragsgesetz (VVG), insbesondere in §§ 19, 28 und 30 VVG, sowie in den jeweiligen Versicherungsbedingungen.
Gelten Obliegenheiten nur im Schadenfall?
Nein, es gibt vorvertragliche Obliegenheiten (z. B. wahrheitsgemäße Risikoinformationen), vertragliche Obliegenheiten (während der Laufzeit) und nachvertragliche Obliegenheiten (z. B. Nachmeldefristen nach Vertragsende).
Kann ich Obliegenheiten individuell verhandeln?
Grundsätzlich nicht. Sie sind in den Versicherungsbedingungen vorgegeben, können aber je nach Anbieter unterschiedlich streng ausgestaltet sein.
Was ist besonders kritisch für Architekten und Ingenieure?
Die rechtzeitige Schadenmeldung und die enge Abstimmung mit dem Versicherer. Wer eigenmächtig handelt oder Zusagen an Bauherren macht, riskiert den Versicherungsschutz.
Verwandte Begriffe
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