Ein Vertrag liegt auf dem Tisch. Zwanzig Seiten, vertraute Begriffe, ein paar fett markierte Passagen. „Standard“, sagt der Bauherr. „Haben wir immer so gemacht.“
Genau hier beginnt das Risiko.
Denn im Architekten- und Ingenieurvertrag entscheiden nicht nur Honorar, Leistungsphasen oder Termine über den Projekterfolg. Oft sind es einzelne, scheinbar harmlose Formulierungen, die darüber bestimmen, ob Sie „nur“ für Planungsfehler haften – oder plötzlich für Kostenexplosionen, Terminverzüge und wirtschaftliche Risiken des gesamten Bauvorhabens.
Ein einziges Wort kann den Unterschied machen zwischen versicherter Planerhaftung und persönlichem Existenzrisiko.
Werkverträge nach §§ 631 ff. BGB – und speziell der Planervertrag nach § 650p BGB – definieren die Haftung eigentlich klar: Geschuldet ist eine mangelfreie Planung und Überwachung, kein Erfolg um jeden Preis. Doch genau dieser gesetzliche Rahmen wird in der Praxis regelmäßig durch Vertragsklauseln verschoben.
Mit Folgen, die viele Architektinnen, Architekten, Ingenieurinnen und Ingenieure erst bemerken, wenn der Schaden bereits auf dem Tisch liegt – und der Versicherer die Deckung infrage stellt.
Dieser Beitrag zeigt fünf besonders kritische (und leider viel zu häufig vorkommende) Formulierungen im Werkvertrag, die Sie kennen, erkennen und richtig einordnen sollten. Praxisnah, haftungsrelevant und immer mit Blick auf Ihre Berufshaftpflicht.
Warum einzelne Vertragsformulierungen über Haftung und Versicherungsschutz entscheiden
Architekten- und Ingenieurverträge sind Werkverträge. Das klingt nüchtern, ist aber haftungsrechtlich entscheidend. Denn im Werkvertragsrecht schulden Sie einen konkret definierten Erfolg – und dieser Erfolg ergibt sich nicht abstrakt aus dem Gesetz, sondern aus dem Vertrag.
Hier liegt der Hebel: Je weiter das Leistungsversprechen sprachlich gefasst ist, desto weiter reicht Ihre Haftung. Aus einer verschuldensabhängigen Mängelhaftung (§§ 633, 634 BGB) kann so schnell eine verschuldensunabhängige Erfolgshaftung werden. Besonders kritisch sind Vertragsklauseln, die:
- Garantien oder Zusicherungen enthalten
- Kosten- oder Terminerfolge fest zusagen
- Vermögensschäden unbegrenzt erfassen
- Risiken Dritter auf den Planer verlagern
- Haftungs- oder Verjährungsgrenzen aufheben
Das eigentliche Problem entsteht dort, wo Vertrag und Versicherung auseinanderlaufen. Die Berufshaftpflichtversicherung ist auf typische Planerpflichten zugeschnitten. Sie deckt Planungs- und Überwachungsfehler, nicht aber freiwillig übernommene Sonderrisiken.
Wird die Haftung vertraglich erweitert, ohne den Versicherungsschutz mitzudenken, entsteht eine gefährliche Deckungslücke.
Definition: Eine haftungserweiternde Vertragsklausel ist jene Formulierung, die den gesetzlichen Haftungsmaßstab des Architekten oder Ingenieurs verschärft oder Risiken außerhalb der klassischen Planungs- und Überwachungspflichten überträgt.
Kritische Formulierung 1: Garantie- und Erfolgshaftung statt Planungspflicht
Garantie- und Erfolgszusagen gehören zu den häufigsten und zugleich gefährlichsten Haftungsfallen in Werkverträgen. Sie führen dazu, dass Sie auch dann haften, wenn Sie fachlich korrekt, sorgfältig und nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik gearbeitet haben.
Nach dem gesetzlichen Leitbild schulden Architekten und Ingenieure keine absolute Fehlerfreiheit und keinen wirtschaftlichen Erfolg. Geschuldet ist eine mangelfreie Planung, nicht das perfekte Ergebnis unter allen Umständen.
Problematisch sind Formulierungen wie:
- „Der Architekt garantiert die Fehlerfreiheit der Planung.“
- „Der Ingenieur haftet für den Erfolg der Maßnahme.“
- „Die zugesicherten Eigenschaften gelten als garantiert.“
Solche Klauseln verschieben die Haftung massiv. Im Streitfall kommt es nicht mehr darauf an, ob Sie einen Planungsfehler begangen haben. Entscheidend ist allein, ob das garantierte Ergebnis eingetreten ist.
Versicherungstechnisch ist das besonders kritisch: Berufshaftpflichtversicherungen schließen Ansprüche aus Garantien und Zusicherungen in aller Regel ausdrücklich aus.
Praxisbeispiel: Ein Büro plant ein energieeffizientes Gebäude nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik. Die Ausführung erfolgt ordnungsgemäß, die Planung ist fachlich korrekt. Im Betrieb wird der angestrebte Energiekennwert dennoch nicht erreicht – etwa durch Nutzerverhalten oder äußere Einflüsse. Der Bauherr beruft sich auf die vertraglich garantierte Energieeffizienz. Ergebnis: Haftung trotz korrekter Planung, keine Deckung durch die Berufshaftpflicht.
Merksatz: Ziele sind zulässig – Garantien sind gefährlich.
Kritische Formulierung 2: Unbeschränkte Haftung und Vollhaftung für Vermögensschäden
„Unbeschränkte Haftung“ klingt juristisch sauber, ist wirtschaftlich jedoch kaum beherrschbar. Solche Klauseln öffnen die Tür für Forderungen, die weit über jede realistische Absicherung hinausgehen.
Typische Formulierungen lauten:
- „Der Auftragnehmer haftet unbeschränkt.“
- „Die Haftung für Vermögensschäden ist nicht begrenzt.“
Was fehlt, ist jede Form der Kappung. Im Ernstfall können Mehrkosten, Nutzungsausfälle, Finanzierungsschäden oder entgangene Gewinne geltend gemacht werden – theoretisch bis zur Höhe der gesamten Bausumme.
Die Berufshaftpflicht arbeitet jedoch immer mit festen Deckungssummen. Häufig stehen einer Bausumme von mehreren Millionen Euro Deckungssummen von ein oder zwei Millionen gegenüber. Die Differenz haftet im Zweifel das Büro persönlich.
Besonders kritisch sind Klauseln, die die Haftung direkt an die Bausumme koppeln. Das verschiebt das Projektrisiko vollständig auf den Planer.
Praxisregel: Haftung immer betragsmäßig begrenzen – idealerweise auf ein- bis zweifache Deckungssumme der Berufshaftpflicht pro Schadenfall.
Kritische Formulierung 3: Kosten- und Termin-Garantien („Budgetgarantie“)
Kosten- und Terminzusagen wirken auf den ersten Blick kundenfreundlich. Tatsächlich verwandeln sie externe Einflüsse in Ihr persönliches Haftungsproblem.
Das BGB verlangt eine wirtschaftliche, kostenbewusste Planung – keine Garantie für feste Baukosten oder starre Fertigstellungstermine. Baupreissteigerungen, Lieferengpässe, Nachträge oder Bauherrenentscheidungen liegen häufig außerhalb Ihres direkten Einflusses.
Trotzdem finden sich immer wieder Formulierungen wie:
- „Garantiert die Einhaltung der Baukosten von X Euro.“
- „Sichert die Fertigstellung bis zum … verbindlich zu.“
Solche Zusagen können massive Vermögensschäden auslösen: Mehrkosten, Vertragsstrafen, Nutzungsausfall. Zwar sind Vermögensschäden grundsätzlich versichert – Garantierisiken jedoch nicht.
Praxisbeispiel: Die Baukosten steigen aufgrund der Marktentwicklung erheblich. Planung und Ausschreibung sind korrekt. Dennoch nimmt der Bauherr den Architekten wegen der garantierten Kostenobergrenze in Anspruch.
Empfehlung: Kosten- und Termine als Planungsziele formulieren, nicht als Garantien. Begriffe wie „garantiert“, „sichert zu“ oder „verbindlich zugesagt“ konsequent vermeiden.
Kritische Formulierung 4: Haftung für bauausführende Unternehmen
Gesetzlich haften Architekten und Ingenieure nicht für Ausführungsfehler Dritter, solange sie diese nicht selbst verschuldet haben. Viele Verträge kippen diesen Grundsatz jedoch.
Besonders riskant sind Klauseln wie:
- „Der Architekt haftet für Fehler der bauausführenden Unternehmen wie für eigene.“
- „Der Auftragnehmer trägt die Gesamtverantwortung für die Ausführung.“
Damit wird aus einer Überwachungs- und Koordinationspflicht faktisch eine Mitunternehmerhaftung. Sie haften dann auch für Fehler, auf die Sie keinen direkten Einfluss hatten.
Versicherungsrechtlich ist das hochproblematisch. Die Berufshaftpflicht deckt keine verschuldensunabhängige Haftung für fremde Leistungen. Gerade bei Schnittstellenproblemen zwischen Gewerken entstehen hier erhebliche Risiken.
Definition: Mitunternehmerhaftung bezeichnet die vertragliche Haftung des Planers für Ausführungsfehler Dritter ohne eigenes Verschulden. Auch wenn der Planer aufgrund der gesamtschuldnerischen Haftung vom Bauherrn in Anspruch genommen werden kann, entscheidet die vertragliche Übernahme einer Mitunternehmerhaftung darüber, ob und in welchem Umfang er gegenüber den bauausführenden Unternehmen Regress nehmen kann.
Kritische Formulierung 5: Verlängerte Verjährung und Verzicht auf Einreden
Haftung endet nicht mit der Abnahme, aber sie hat gesetzliche Grenzen. Mängelansprüche verjähren bei Planungsleistungen in der Regel fünf Jahre nach Abnahme.
Viele Verträge verlängern diese Fristen jedoch deutlich oder knüpfen sie an spätere Ereignisse. Besonders kritisch sind Klauseln, die:
- die Verjährung auf acht, zehn oder mehr Jahre verlängern
- den Verzicht auf die Einrede der Verjährung verlangen
- den Beginn der Verjährung hinausschieben
Das Problem liegt in der Versicherungslogik: Versicherer kalkulieren mit typischen Haftungszeiträumen und Nachhaftungsfristen. Extreme Verlängerungen können außerhalb der Versicherungsdeckung liegen – insbesondere bei Versichererwechseln.
Praxisbeispiel: Acht Jahre nach Fertigstellung wird ein Anspruch geltend gemacht. Der damalige Vertrag verlangt eine zehnjährige Nachhaftung. Der Jahresvertrag der Berufshaftpflicht hat eine standardgemäße fünfjährige Nachmeldefrist. Das Risiko verbleibt beim Büro.
Merksatz: Längere Verjährung bedeutet längeres Haftungsrisiko - und sollte beim Versicherungsschutz mitgedacht werden.
Fazit: Werkverträge wie ein Risikomanager lesen
Werkverträge entscheiden nicht nur über Honorar und Leistungsumfang, sondern über Haftung, Versicherbarkeit und wirtschaftliche Sicherheit. Die fünf beschriebenen Formulierungen gehören zu den häufigsten – und teuersten – Haftungsfallen für Architekten und Ingenieure.
Die gute Nachricht: Die meisten Risiken lassen sich vermeiden. Nicht durch Konfrontation, sondern durch saubere Sprache, klare Haftungsbegrenzungen und ein Verständnis dafür, wo Vertrag und Berufshaftpflicht auseinanderlaufen.
Wer Verträge nicht nur technisch, sondern auch haftungs- und versicherungsrechtlich liest, verschafft sich einen echten Vorsprung – und schützt nicht nur das Projekt, sondern das eigene Büro.
Sie haben einen Vertrag den wir für Sie prüfen können?
Wir beraten Sie gerne in einer unverbindlichen versicherungstechnischen Werkvertragsprüfung.
FAQs
Welche Vertragsklauseln sind für Architekten und Ingenieure besonders gefährlich?
Besonders kritisch sind Garantie- und Erfolgsklauseln, unbeschränkte Haftung für Vermögensschäden, Kosten- und Termingarantie-Formulierungen, die Haftung für bauausführende Unternehmen sowie verlängerte Verjährungsfristen. Diese Klauseln erweitern die Haftung häufig über das gesetzliche Maß hinaus und können zu nicht versicherten Risiken führen.
Sind Garantien im Architekten- oder Ingenieurvertrag versichert?
In der Regel nicht. Berufshaftpflichtversicherungen schließen Ansprüche aus Garantien und Zusicherungen ausdrücklich aus. Wird ein bestimmter Erfolg garantiert – etwa Baukosten, Termine oder Energiekennwerte – kann dies zu einer Haftung ohne Versicherungsschutz führen, selbst wenn die Planung fachlich korrekt war.
Haftet der Architekt automatisch für Fehler von Bauunternehmen?
Nein. Gesetzlich haften Architekten und Ingenieure nur für eigene Planungs- und Überwachungsfehler. Eine Haftung für Ausführungsfehler bauausführender Unternehmen entsteht meist erst durch entsprechende Vertragsklauseln, die eine sogenannte Mitunternehmerhaftung begründen.
Warum ist eine unbeschränkte Haftung problematisch?
Unbeschränkte Haftung kann Forderungen in Millionenhöhe auslösen, während die Berufshaftpflicht nur bis zur vereinbarten Deckungssumme leistet. Die Differenz haftet das Büro persönlich. Deshalb sollten Haftungsbegrenzungen immer betragsmäßig geregelt und an die Versicherungssumme gekoppelt werden.
Wann sollte ein Werkvertrag vor der Unterschrift geprüft werden?
Immer dann, wenn Garantien, Kosten- oder Terminzusagen, Haftungserweiterungen oder verlängerte Verjährungsfristen enthalten sind. Eine Prüfung vor Vertragsabschluss ist deutlich günstiger und sicherer als eine rechtliche Auseinandersetzung nach Eintritt eines Schadens.
