Definition
Die Anzeigepflichten vor Vertragsschluss oder auch vorvertragliche Anzeigepflichten sind gesetzliche Pflichten des Versicherungsnehmers, dem Versicherer alle gefahrerheblichen Umstände vollständig und wahrheitsgemäß mitzuteilen, die für die Entscheidung über den Abschluss oder die Bedingungen des Versicherungsvertrages wesentlich sind (§§ 19 ff. VVG).
Erklärung / Hintergrund
Vor Abschluss einer Versicherung muss der Versicherungsnehmer dem Versicherer alle gefahrrelevanten Informationen geben. Dazu gehören insbesondere Umstände, die das Risiko erhöhen oder die Entscheidung des Versicherers über Annahme, Prämienhöhe oder Vertragsbedingungen beeinflussen.
Wichtige Beispiele bei Architekten- und Ingenieurbüros:
- Angaben zu Tätigkeitsfeldern (z. B. Hochbau, Tiefbau, Tragwerksplanung, SiGeKo).
- Umfang der Projekte und Bausummen.
- Vorherige Schäden oder laufende Haftungsfälle.
- Besondere Risiken wie Auslandstätigkeiten oder Projektentwicklungen.
Die Anzeigepflicht gilt für alle Fragen, die der Versicherer im Antragsformular stellt. Werden diese unvollständig oder falsch beantwortet, spricht man von einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung.
Mögliche Folgen (§§ 19–22 VVG):
- Rücktritt vom Vertrag.
- Vertragsanpassung (z. B. höhere Prämie, eingeschränkter Schutz).
- Kündigung durch den Versicherer.
- Im schlimmsten Fall: Leistungsfreiheit des Versicherers im Schadenfall.
Synonyme: vorvertragliche Anzeigeobliegenheit, Offenbarungspflichten.
Abgrenzung:
- Anzeigepflichten vor Vertragsschluss → betreffen die Antragsphase.
- Obliegenheiten im laufenden Vertrag → z. B. Schadenanzeige, Mitwirkungspflichten.
Praxisrelevanz
Für Architekten und Ingenieure sind Anzeigepflichten besonders sensibel. Ein falsch beantwortetes Antragsformular kann im Schadenfall existenzbedrohende Folgen haben. Beispiel: Wer bei Antragstellung „keine Statik“ angibt, aber tatsächlich Tragwerksplanung durchführt, riskiert im Schadenfall, dass der Versicherer leistungsfrei ist.
Deshalb sollten Versicherungsnehmer vor Vertragsschluss:
- alle Angaben schriftlich und wahrheitsgemäß machen,
- unklare Punkte dokumentieren,
- im Zweifel zu viel als zu wenig offenlegen.
Praxisbeispiel
Ein Ingenieurbüro beantragt eine Berufshaftpflichtversicherung und gibt an, ausschließlich im Hochbau tätig zu sein. Tatsächlich übernimmt das Büro auch Projekte im Bereich Tiefbau. Nach einem Schaden im Tiefbau beruft sich der Versicherer auf vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung und verweigert die Leistung. Das Büro muss den Schaden in Millionenhöhe selbst tragen.
FAQ
Was muss ich vor Vertragsschluss angeben?
Alle gefahrerheblichen Umstände, insbesondere solche, nach denen der Versicherer ausdrücklich fragt.
Was passiert bei falschen Angaben?
Je nach Schwere kann der Versicherer den Vertrag anpassen, kündigen oder sogar im Schadenfall leistungsfrei sein.
Muss ich auch ungefragte Umstände angeben?
Nur dann, wenn sie offensichtlich gefahrerheblich sind. Ansonsten beschränkt sich die Pflicht auf die ausdrücklich gestellten Fragen des Versicherers.
Gelten die Anzeigepflichten auch bei Vertragswechsel?
Ja. Auch beim Versichererwechsel müssen alle relevanten Angaben erneut korrekt gemacht werden.
Wie kann ich mich absichern?
Indem Du die Antragstellung sorgfältig prüfst, Belege aufbewahrst und im Zweifel fachkundige Beratung in Anspruch nimmst.
Verwandte Begriffe
- [Obliegenheiten]
- [Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB)]
- Berufshaftpflichtversicherung
- [Gefahrerheblichkeit]
- [Leistungsfreiheit]
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