Definition
Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalls sind Kosten, die der Versicherungsnehmer im Vorfeld einer möglichen Schadenersatzforderung tätigt, um einen drohenden Schaden abzuwenden oder zu mindern – also bevor ein Dritter einen Anspruch tatsächlich erhebt.
Erklärung / Hintergrund
Grundsätzlich leistet die Haftpflichtversicherung erst dann, wenn ein Versicherungsfall eingetreten ist – also wenn ein Dritter Ansprüche gegen den Versicherungsnehmer geltend macht (z. B. nach dem Anspruchserhebungsprinzip).
Kosten, die bereits vorher entstehen, können unter bestimmten Umständen aber ebenfalls relevant sein:
- Schadensverhütungskosten: Aufwendungen, um einen drohenden Schaden zu verhindern.
- Schadensminderungskosten: Aufwendungen, um den Umfang eines bereits eingetretenen Schadens gering zu halten.
- Abwendungskosten: Kosten, die entstehen, um eine unmittelbar bevorstehende Gefahr abzuwenden.
Nach § 82 VVG und den meisten AVB/AHB sind diese Kosten dann erstattungsfähig, wenn der Versicherungsnehmer sie im Rahmen seiner gesetzlichen Schadensminderungspflicht tätigt.
Wichtig: Der Versicherungsnehmer darf solche Maßnahmen nicht eigenmächtig und unbegrenzt veranlassen, sondern sollte den Versicherer – soweit möglich – vorher informieren.
Synonyme: Schadensverhütungsaufwendungen, Kosten vor Versicherungsfall, präventive Aufwendungen.
Abgrenzung:
- Aufwendungen vor Eintritt → präventive Maßnahmen, nur unter engen Voraussetzungen ersatzfähig.
- Aufwendungen nach Eintritt → klassische Schadenminderungskosten, fast immer gedeckt.
- Vertrags- oder Sowiesokosten → nicht gedeckt, da unabhängig vom Schaden ohnehin angefallen.
Praxisrelevanz
Für Architekten und Ingenieure können solche Aufwendungen schnell relevant werden. Beispiel: Wird ein Planungsfehler entdeckt, bevor es zu einem Schaden beim Bauherrn kommt, entstehen Kosten für Gutachten, Umplanungen oder Sicherheitsmaßnahmen.
Diese Kosten sind nicht automatisch über die Berufshaftpflicht gedeckt, sondern nur dann, wenn die Bedingungen des Versicherers eine entsprechende Regelung enthalten. Viele Versicherer grenzen solche Kosten ausdrücklich aus oder setzen strenge Voraussetzungen (z. B. unmittelbare Gefahr für Personen oder erhebliche Sachwerte).
Praxisbeispiel
Ein Ingenieur bemerkt, dass eine geplante Stützkonstruktion fehlerhaft berechnet wurde. Noch bevor es zu einem Schaden kommt, beauftragt er ein externes Statikgutachten und lässt die Planung kurzfristig ändern. Die Kosten hierfür belaufen sich auf 15.000 €. Ob diese Aufwendungen von der Berufshaftpflicht übernommen werden, hängt von den konkreten Versicherungsbedingungen ab – häufig sind sie nur erstattungsfähig, wenn der Versicherer vorher zustimmt.
FAQ
Erstattet die Berufshaftpflicht auch Präventionskosten?
Nur in Ausnahmefällen. Meist muss eine konkrete, unmittelbar drohende Schadenersatzforderung vorliegen.
Gilt hier auch die Schadensminderungspflicht?
Ja. Versicherungsnehmer sind verpflichtet, Schäden so gering wie möglich zu halten. Dazu gehören auch Aufwendungen vor dem eigentlichen Versicherungsfall – aber nur, wenn sie angemessen und notwendig sind.
Kann ich die Kosten immer selbst entscheiden?
Nein. Wenn es die Situation zulässt, sollte immer vorab Rücksprache mit dem Versicherer gehalten werden, sonst kann er die Erstattung verweigern.
Was ist der Unterschied zu Sowiesokosten?
Sowiesokosten sind Kosten, die ohnehin entstanden wären (z. B. notwendige Nachbesserungen wegen Planungsänderungen). Sie sind grundsätzlich nicht gedeckt.
Gibt es spezielle Deckungserweiterungen?
Ja, einige moderne Policen enthalten Klauseln für „präventive Aufwendungen“ oder „Kosten zur Mängelbeseitigung vor Anspruchserhebung“.
Verwandte Begriffe
- [Anspruchserhebungsprinzip]
- [Schadensminderungspflicht]
- [Sowiesokosten]
- Berufshaftpflichtversicherung
- [Allgemeine Haftpflichtbedingungen (AHB)]
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